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"Wie soll ich dich empfangen und wie begegne ich dir?" - Predigt zum 3. Advent

"Wie soll ich dich empfangen und wie begegne ich dir?" - Predigt zum 3. Advent

"Wie soll ich dich empfangen und wie begegne ich dir?" - Predigt zum 3. Advent

# D | Predigten

"Wie soll ich dich empfangen und wie begegne ich dir?" - Predigt zum 3. Advent

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!  

Wie soll ich dich empfangen und wie begegne ich dir?  

Liebe Gemeinde,

wir hörten gerade noch einmal die wunderbaren Klänge des Domchors und ich weiß nicht wie es ihnen geht, aber wenig Dinge bringen mich so in Weihnachtsstimmung wie Bachs Weihnachtsoratorium und wenig Texte erfassen den Kern der Adventszeit so gut, wie diese Zeilen von Paul Gerhardt. Doch liest man diese Worte, ohne die schönen Melodien von Bach oder Paul Gerhard, entstehen vielleicht ganz andere Assoziationen.  

Wie soll ich dich empfangen und wie begegne ich dir?

Ich denke da zum Beispiel an den Besuch von Freuden oder der Familie zu Weihnachten. Da geht es im Vorfeld manchmal wenig besinnlich zu! Aufräumen, einkaufen, putzen, Betten machen – so viel gibt es noch zu erledigen! Man will ja doch zu Weihnachten einen guten Eindruck machen. Zu groß der Druck, dass alles ordentlich, festlich und besinnlich sein soll! Innerlich und äußerlich aufgeräumt und in festlicher Stimmung – wie man Weihnachten halt feiert – ganz ohne Streit und Chaos – so, wie es einem auch all die Weihnachtsfilme und die Werbung dazwischen suggerieren. So sollten wir einander empfangen und begegnen! Oder etwa nicht?!

Der heutige Predigttext aus dem Römerbrief im 15. Kapitel dreht sich auch um einen Besuch, allerdings ist Paulus hier derjenige, der die Gemeinde in Rom besuchen will und sich ihr mit einem Schreiben ankündigt. Und ganz zum Schluss schreibt er im letzten Kapitel noch diesen einen Satz: Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Ehre.  

Paulus kennt die Gemeinde in Rom noch nicht, daher stellt er sich ihr mit seinem Brief vor. in den vorhergehenden Kapiteln bereits seine theologischen Standpunkte erläutert. Und nachdem er viele seiner theologischen Standpunkte skizziert hat, gibt er den Menschen in Rom noch einen Wunsch mit:

5Der Gott aber der Geduld und des Trostes gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, wie es Christus Jesus entspricht, 6damit ihr einmütig mit einem Munde Gott lobt, den Vater unseres Herrn Jesus Christus.7Darum nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Ehre.  

„Nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat zu Gottes Ehre.“ Präziser übersetzt geht es Paulus weniger um das „AN-nehmen“, vielmehr geht es um ein „AUF-nehmen“ und zwar so, wie Christus uns bereits in seine Gemeinschaft aufgenommen hat: So, wie wir sind, ohne Vorbedingungen, ohne Masken!

So sollen wir auch einander empfangen und begegnen! Nicht hinter einer blitzblanken Fassade versteckt, vermeintlich aufgeräumt und aufgesetzt – sondern so, wie wir sind. Vielmehr soll sichtbar werden, dass wir uns als bereits Aufgenommene auch gegenseitig aufnehmen können – so, wie wir sind. Paulus ergänzt diese Aufforderung mit dem Hinweis: „zu Gottes Ehre.“ Unser Umgang miteinander soll Gottes Eigenschaften widerspiegeln: Geduld, Trost, Barmherzigkeit und Frieden. Wenn wir einander aufnehmen, so wie Christus uns aufgenommen hat, machen wir Gottes Herrlichkeit sichtbar – und zwar mitten in dieser Welt.

Wie soll ich dich empfangen und wie begegne ich dir?

Ich denke da auch an die vielen Menschen, die 2015 aus Syrien zu uns gekommen sind. Bei denen sich gerade neben Freude und Erleichterung auch Ängste dazugesellen, ob sie denn eine baldige Rückkehr wagen können. Wie werden sie dort wohl empfangen werden? Wie wird man ihnen begegnen? Paul Gerhardt selbst hat diese Zeilen in Zeiten des Dreißigjährigen Krieges verfasst – das war seine Realität mitten im Advent.

Und wenn einige Menschen in diesem Land am 1. Tag nach dem Sturz öffentlich ihren Schutzstatus infrage stellen, wird diese Realität hier und heute ausgeblendet. Dann scheint dort keine Bereitschaft mehr vorzuherrschen, noch irgendjemanden empfangen oder begegnen zu wollen. Und was dann? Dreht sich dann die Uhr zurück in eine Zeit, wo Polarisierung, Hetze, Uneinigkeit noch nicht so ausgeprägt war wie heute? Wir haben es verlernt miteinander zu streiten, verlernt Differenzen auszuhalten und das Gemeinsame zu suchen. Und dann geht die Spaltung manchmal so weit, dass ich diese Frage ganz ernsthaft nicht beantwortet kriege:  

Wie soll ich dich empfangen und wie begegne ich dir?

Paulus erinnert uns jedoch daran, dass Christus nicht nur für „uns“ gekommen ist – nicht nur für die Christen in Rom, nicht nur für uns in Lübeck oder im sogenannten christlichen Abendland.

8Denn ich sage: Christus ist ein Diener der Beschneidung geworden um der Wahrhaftigkeit Gottes willen, um die Verheißungen zu bestätigen, die den Vätern gegeben sind; 9die Heiden aber sollen Gott die Ehre geben um der Barmherzigkeit willen, wie geschrieben steht: »Darum will ich dich loben unter den Heiden und deinem Namen singen.« 10Und wiederum heißt es: »Freut euch, ihr Heiden, mit seinem Volk!« 11Und wiederum: »Lobet den Herrn, alle Heiden, und preisen sollen ihn alle Völker!« 12Und wiederum spricht Jesaja: »Es wird kommen der Spross aus der Wurzel Isais, und der wird aufstehen, zu herrschen über die Völker; auf den werden die Völker hoffen.«  

Paulus zitiert hier eine ganze Reihe von Bibelstellen, die prophezeien, dass Menschen aller Völker ihren Lobpreis miteinander verbinden müssen. Aber „wir“ dürfen nie denken, dass „wir“ vollständig sind. Die Botschaft von Jesus Christus entfaltet sich erst, wenn sie geteilt wird – über alle Grenzen hinweg. Weihnachten ist keine exklusive Feier einer bestimmten Gruppe, sondern ein Fest, das uns alle verbindet. „Darum, nehmt einander auf, wie Christus euch aufgenommen hat!“  

Wie soll ich dich empfangen und wie begegne ich dir?

Vielleicht ist diese Frage auch ein Anstoß, darüber nachzudenken, wie wir in der Weihnachtszeit einander beschenken. Manchmal nimmt die Frage nach dem „perfekten Geschenk“ so viel Raum ein, dass andere Dinge in den Hintergrund treten. Manchmal weiß man zwischen all dem adventlichen Stress gar nicht mehr, worum es eigentlich gehen sollte. Doch Paulus erinnert uns daran, was wirklich zählt. Er beendet seine Ausführungen schließlich mit folgendem Wunsch:

13Der Gott der Hoffnung aber erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes.

Diese Hoffnung ist kein materielles Geschenk, sondern ein tiefes inneres Geschenk: Der Gott der Hoffnung will uns in Jesus Christus reicher an Hoffnung machen!

Egal, wie es bei uns gerade zuhause oder innerlich aussieht, egal, wie sehr uns das Weltgeschehen derzeit bedrückt, spaltet und zerreißen zu droht, und egal, was wir uns am 24. Dezember gegenseitig unter den Weihnachtsbaum legen: Das größte Geschenk an Weihnachten ist, dass wir einen Gott der Hoffnung haben, der uns bereits aufgenommen hat, der zu ins in diese Welt kommen und bei uns wohnen will. „Darum nehmt einander auf, wie er euch aufgenommen hat zu Gottes Lob.“ Dieser Gott „erfülle euch mit aller Freude und Frieden im Glauben, dass ihr immer reicher werdet an Hoffnung durch die Kraft des Heiligen Geistes.“ Amen.

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